Geschichten vom Arrenberg - 7. Juli 2021
Poetisches leben: Der Künstler Norbert Martin und die Hingabe an den Augenblick
Norbert Martins künstlerischer Werdegang setzt sich aus höchst unterschiedlichen Aspekten zu einem sehr persönlichen Mosaik zusammen. Auf alle Arten poetisch zu leben ist seine Lebensphilosophie und Ausdruck in seinen Projekten.
Aufgewachsen im Süden
Baden Württembergs in nahezu christlich-fundamentalistischen
Verhältnissen, hat der gelernte Kaufmann schon früh zeichnerisches
Talent gezeigt und und den Kontakt zu musischer Kreativität gesucht.
Sein bürgerliches Leben aus Gemeinde, Familie und Karriere hat ihm
selten Zeit gelassen, aus sich heraus zu schöpfen. Seine
verantwortungsvollen Tätigkeiten im Vertriebswesen führten Martin bis
nach England, wo er den Aufbau einer Niederlassung begleitete.
Mit 43 Jahren entschloss sich der zweifache Vater dann für den
plötzlichen Umbruch. Mit einer kleinen Werbeagentur und der Umsetzung
eigener Interessen begann seine bis heute andauernde Selbstständigkeit.
Genau zu dieser Zeit – Mitte der 90er – wurde Wuppertal zu seinem Lebensmittelpunkt und seine neue Freiheit förderte seinen Output. So entstand beispielsweise die Zeitung „LeftHand-Corner“, eine spielerische wie ernsthafte Auseinandersetzung mit der individuellen Besonderheit und dem Erkennen eines Bedürfnisses bei Gleichgesinnten, sich über das Phänomen der Linkshändigkeit auszutauschen.
Der Herausgabe des eigenen Gedichtbandes „Vorsicht Texte“ (1996 im Eigenverlag) schlossen sich bisher zahlreiche Veröffentlichungen an. Neben seinen Geschichten und Essays in kleinen Anthologien und lokalen Sammlungen wurde sein Gedicht Vivaldi-Winter auch auf WDR 5 veröffentlicht. Regelmäßige Lesungen in Cafes und kulturellen Einrichtungen geben immer wieder Einblick in Norbert Martins Denken und Phantasie. Er selbst bezeichnet sich gerne als geistigen Dauerzünder, der mit großer Offenheit allen Seiten des Lebens aufgeschlossen ist.
Das Nutzen von langer Weile und der Dialog mit der Natur finden im
Musiker Norbert Martin einen noch freieren Ausdruck. Seine Musik und
seine Projekte leben von Improvisationen und Momenten, die nicht jedem
zugänglich sind: Das Machen und die Freude am Sein sind ihm viel
wichtiger. Auf Ausstellungen, Happenings und Festivals bietet sich
dennoch oft die Gelegenheit, aufzutreten und Gleichgesinnte zu
erreichen. Anarchistisch agierend, schräg und mit purer Lust darf es
auch gerne etwas verrückt sein. Mit der Konzertreihe „Requiem für den
Wald“ wird auch inmitten freier Natur musiziert – eine Hommage an die
Kraft der Schöpfung und ihre Schätze. Befreiend und inspirierend
gleichermaßen wie der gesamte künstlerische Dialog mit der Umwelt und
seinem Auge für die feinen Details.
Hölzerne und steinerne Findlinge, die ihn faszinieren, bearbeitet und
transformiert er genauso wie Elektronik-Schrott aus dem Computer. Der
eigene Ausdruck bleibt für Norbert Martin unbegrenzt und arbeitet die
assoziativen Details aus den Materialien heraus. Aus Formen und Brüchen
von Steinen kratzt und ritzt er in akribischer Kleinstarbeit unglaublich
feine Strukturen heraus: Besonders liebevolle Werke, die absolut
zeitlos erscheinen.
Kunstinteressierte, die Zeichnungen, Collagen, Skulpturen, Worte und der musikalischen Performance Norbert Martins gegenüber aufgeschlossen sind, werden immer etwas finden, was die eigenen Sinne berührt: Mit Humor und Hingabe an den Augenblick.
Text: Wolfgang Rosenbaum