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Geschichten vom Arrenberg - 6. Juli 2021

Ein bisschen Polis am Arrenberg

Die Philosophin Karin Michel sieht im Viertel Zukunftsweisendes zum Zusammenleben.

Gerade wo es hoch hinaus geht, ist die Philosophie ganz bodenständig. Die praktische Philosophin Karin Michel jedenfalls hat von ihrer grünen Dachterrasse nicht nur weite Sicht über den Arrenberg, sondern behält auch ihre zahlreichen Töpfchen voll Gurken und Kräuter im Blick. Ganz lebensnah werden hier die großen Fragen – sogar gesund und lecker.

Unter einer Berufsbezeichnung wie ihrer kann sich nicht jeder etwas vorstellen. Grübeln über die Welt gehört jedoch zunächst einmal zu ihrem beruflichen Alltag als Professorin für Ethik an der Evangelischen Hochschule in Bochum. Eine Weile hat die Arrenbergerin auch Gespräche in ihrer philosophischen Praxis in der Arrenberger Straße angeboten, doch sah sie diese selbst mehr als „Wellnessprodukt“ und mochte sie sich kaum bezahlen lassen.

Manche Philosophen suchen ihr Heil in Beraterjobs zur Personaloptimierung. Dort sieht Michel aber weniger ihren Platz. Sie beteiligt sich im Rahmen ihrer universitären Tätigkeit insbesondere an der ethischen Analyse von biopolitischen Fragestellungen, beispielsweise zu Themen der Sterbehilfe oder Reproduktionsmedizin, aber auch zum Thema „Big Data“, dem modernen Phänomen massenhaft gesammelter persönlicher Daten. Dabei analysiert sie Argumente und stellt auch Bezüge zu historischen philosophischen Ansätzen her – wie etwa denen von Immanuel Kant oder Michel Foucault.

Entsprechend weit gefasst berühren philosophische Fragen im Grunde doch ständig den Alltag. Wie Menschen sinnvoll zusammenleben, hat schließlich auch Platon in seiner „Politeia“ interessiert. Unter heutigen Bedingungen stellen sich Fragen menschlichen Zusammenlebens neu, etwa vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung: Menschen werden immer älter; Familienstrukturen, die ein geborgenes Altern versprachen, sind zugleich selten geworden. Dieser Veränderung könnte z.B. mit Altenwohngemeinschaften oder Mehrgenerationen-Wohnprojekten begegnet werden, die dann Menschen unterschiedlichster Altersgruppen zusammenführen.

Das Zusammenleben der Generationen ist für Karin Michel jedenfalls spannend. Es berührt das weite Feld der Gemeinwohlorientierung, dem ihrer Meinung nach große Bedeutung für die Zukunft zukommt. Aber auch das Grundthema der menschlichen Autonomie ist nicht weit, wenn es um die tägliche Versorgung geht, und zwar solche, die auch für nicht so mobile Menschen gut verfügbar ist. Und all das knüpft für die Philosophin eng ans Quartier an: Den Arrenberg sieht Michel weit vorn bei Vorstößen für moderne Lebensformen. Von dem, was sich im Viertel tut, geht viel in diese Richtung: Rund ums Stadtteilzentrum „Aufbruch“ starten Formate für zeitgemäßes Zusammenleben, etwa für gemeinsames Kochen und Essen in der Nachbarschaft. Nicht zuletzt soziale Funktionen übernehmen auch Kunst und Kultur im „Simonz“, im neu eröffneten Kunstraum „Eckart“ und anderswo.

Junge Unternehmen siedeln sich an. Und auch was die Versorgung der Zukunft betrifft, wird hier einiges erprobt, was auf der Suche nach besagter Autonomie aufhorchen lässt. Vorstöße (wie einst die „Farm-box“) rund um den „Essbaren Arrenberg“ verfolgt Karin Michel daher aufmerksam.

Das Viertel mit seinen Impulsen kommt ihr daher gerade recht beim Anliegen, die großen Fragen auf den Alltag herunterzubrechen. Oder wie es die praktische Philosophin sagt: „Gefühl fürs große Ganze vor der eigenen Tür.“


Info:
www.philosophieinstitut-michel.de

Text: Martin Hagemeyer

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